Agile Führung – Definition, Merkmale und konkrete Tipps

Über den Autor

Nadin-Shirin Zimmermann

Ich schaffe Gestaltungsräume für Menschen und Innovationen.

Agile Führung – oder wie führe ich einen Baum? 

Geben Sie jeder Wurzel Anweisungen wie sie am besten zu Nährstoffen kommt und dem gesamten Baum Stabilität gibt und kontrollieren, ob die Umsetzung korrekt erfolgt ist – oder vertrauen Sie darauf, daß jede Wurzel die beste Entscheidung trifft, da sie das Wissen, die Erfahrung und den konkreten Bezug zur Lösung hat?

So ähnlich ist es mit agiler Führung. Unternehmen stehen heute vor der vielfältigen Herausforderung auf komplexe Markt- und sozioökonomischen Systeme schnell reagieren zu müssen oder besser noch, diese zu antizipieren und daraus einen unternehmerischen Vorteil zu ziehen.  Nun schafft selbst die klügste und visionärste Führungskraft dies nicht allein, denn dafür braucht es wie der kräftige und gesunde Baum viele Wurzeln in möglichst viele Richtungen. Somit ist es notwendig, das gesamte Potential des Unternehmens sprich aller Mitarbeitenden zu nutzen. Dies ist die Aufgabe agiler Führung.

Agile Führung – Definition

 Agile Führung beinhaltet alle Maßnahmen, die Entscheidungen und Verhalten in einem Verantwortungsbereich schnell, flexibel und gut angepasst machen.”  Quelle: Wirtschaftspsychologische Gesellschaft 

Es gibt unterschiedlichste Definitionen von agiler Führung, denn genau wie Agilität lebt agile Führung von der Anpassungsfähigkeit an Komplexität und Vielfältigkeit. Somit basiert agile Führung auf dem Mindset der agilen Führungskraft und nimmt  in der Praxis unterschiedlichste Ausprägungen an; denn der agile Leader ist mit breiten Verhaltens- und Methodenkompetenzen ausgestattet und kann dadurch seinen Führungsstil der Situation angemessen anpassen.

Agilen Führung – Merkmale

Dennoch gibt es grundlegende Merkmale, die agiles Management kennzeichnen. So kann die agile Führungskraft: 

… unter den verschiedensten Umständen, insbesondere in neuen, sich verändernden Situationen gut führen, in der sogenannten VUKA Welt.

…mit einem agilen Mindset (Werte und Prinzipien) die Agilität der Organisation unterstützt.

…die richtigen agilen Methoden und Werkzeuge auswählen und einsetzen.

Der new Leader im agilen Umfeld setzt klare Ziele, definiert Rahmenbedingungen oder Handlungsprinzipien und gibt die Verantwortung für die Art und Weise der Zielerreichung vertrauensvoll an das Team ab. Hierbei erhält das selbstorganisierte Team größtmögliche Freiheit und Verantwortung für die Findung der Problemlösung. 

Wie geht es nun konkret?

Entscheidungen optimieren

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des agilen Managements ist es Entscheidungen zu optimieren, dies bedeutet sowohl schneller als auch kompetenter zu entscheiden. Für beide Dimensionen muss die Entscheidungsverantwortung mit der Entscheidungskompetenz zusammengeführt werden. Im agilen Unternehmen erfolgt dies in selbstorganisierten Teams. 

Entscheidungsqualität – Diversity

Um die Qualität der Entscheidungen zu erhöhen, werden Teams mit Mitarbeitenden unterschiedlichsten Wissensgebieten, Erfahrungen und Kompetenzen besetzt. Denn es ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß Diversity-Teams bessere Entscheidungen im komplexen und innovativen Umfeld treffen als homogene High-Performance Teams. 

Entscheidungskompetenz – Problemlösung

Entscheidend ist auch, wie die Teams zu Entscheidungen gelangen, so ist es wichtig sich mindestens genauso ausführlich mit dem Problem wie mit der Lösung zu beschäftigen. Ein angemessene Auseinandersetzen mit dem Problem ist häufig im derzeitigen Unternehmensumfeld nicht gewünscht, sondern es wird sofort die Lösung erwartet. Dadurch wird häufiger Symptom- als Ursachenbekämpfung betrieben. Agile Methoden wie Design-Thinking helfen konstruktiv Probleme zu analysieren und einer bedarfsgerechten Lösung zuzuführen und motivieren die Mitarbeitenden zum Problemdenken.

Entscheidungsmethode – Konsent und Ausprobieren

Bisher entscheidet der Chef  oder wir finden einen Konsens, der im Kompromiss endet. Es ist jedoch nachgewiesen, daß der Kompromiss als Ergebnis unter Berücksichtigung aller Anforderungen zu Mittelmaß führt. Dies ist weder für Innovation noch für Veränderung wünschenswert. Somit bedarf es neuer Entscheidungsmechanismen für Teams wie dem Konsent-Prinzip. Hierbei gelten Entscheidungen als getroffen, wenn es keine gravierenden Einwände mehr gibt. Gravierende und begründete Bedenken werden vorgebracht und in den Konsent integriert. Sofern ein Einwand jedoch weder dem Team, dem Unternehmen noch dem Kunden Schaden zufügt bleibt er unberücksichtigt. Dabei wird von jedem erwartet, dass er diese Team-Entscheidung trotz seiner Bedenken mitträgt. “Disagree and commit.”

Agilität bedeutet auch Entscheidungen nicht mehr rein auf Experten-Annahmen zu treffen, sondern auf pragmatisch validierten Annahmen.  Dazu wird aus dem Lean-Startup die Methode  Build, Measure, Learn herangezogen. Zuerst wird eine erste Lösungsidee basierend auf vielen Hypothesen entwickelt. Darauf aufbauend wird in kürzester Zeit eine erste Vorabversion des Produkts MVP Minimum Viable Product (MVP) mit rudimentären jedoch funktionsfähigen Funktionalitäten entwickelt. Dies wird mit der angepeilten Zielgruppe ausprobiert und dadurch möglichst viele Erkenntnisse und Feedback gesammelt. Dadurch werden die Hypothesen bestätigt oder widerlegt. Das Gelernte wird im nächsten Entwicklungszyklus umgesetzt. Das agile Management setzt hierfür den Rahmen und die agile Führungskraft ist interner und externer Wegbereiter und fördert die Mitarbeitenden in diesem Prozess.

Entscheidungsparameter – Kundenfokus

Besondere Bedeutung kommt dem Blickwinkel und den Entscheidungsparametern zu, so werden Entscheidungen anhand ihres Mehrwertes fürs Unternehmen und den Kunden getroffen. Entscheidungsmechanismen wonach der unternehmerische Mehrwert Business-Value als auch die Wertschöpfung für den Kunden Customer Centricity ausschlaggebend sind, ist die Grundvoraussetzung für agiles Management.

Handlungsfähige Mitarbeitenden & Teams

Mindset jedes Einzelnen

Wir erkennen schnell, daß in agilen und digitalen Arbeitswelten Menschen gefragt sind, die eine offene und positive Einstellung gegenüber persönlichen und unternehmensbezogenen Veränderungen haben. Kürzere Planungshorizonte, kurzfristiges Verwirklichen und Validieren von Ideen bedürfen einer hohen Veränderungsbereitschaft. Hierbei sind sowohl die Haltung als auch das Verhalten des Mitarbeitenden entscheiden. Die aufgeschlossene, agile Einstellung bildet die Basis für Veränderungsbereitschaft; denn nur wer Veränderungen nicht als Gefahr, sondern viel mehr als Chance begreift, kann aus der rasanten Entwicklung der digitalen Welt für sich und sein Unternehmen großen Nutzen ziehen. Auf Grundlage dieser Haltung, ist es möglich, eigene Barrieren zu identifizieren, die uns davon abhalten unser Verhalten zu ändern. Wer persönlich diese Entwicklung vollzieht, kann sein persönliches Verhalten und die Kultur sowie die Arbeitsweisen seiner Organisation nachhaltig verändern.

Führungskraft als Coach des Teams

Da nun kollektive Expertise in Teams die Schlüsselqualifikation ist, besteht  die Aufgabe der Führung darin Kollektivkompetenzen und -potentiale zu entfalten und zu stärken. Deswegen versteht sich in zeitgemäßen Leadership-Konzepten (Blog agile Führung) die Führungskraft nicht mehr als Vorgesetzter, sondern agiert vielmehr als Coach und Potentialentfalter. Hierbei ist die entscheidende Aufgabe, die individuellen Potentiale und Kompetenzen jedes Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern, so daß diese zum Mehrwert des Teams und des Projekts eingebracht werden können. Im Projekt Im Projekt Oxygen hat Google hierfür 10 Führungs-Prinzipien entwickelt.

Vision und Ziele als verbindendes Element

Agiles Management überträgt die Entscheidungsverantwortung und Organisationsaufgabe an das Team. Wenn dadurch hierarchische Strukturen sowie klar definierte Prozesse und Regeln reduziert werden oder wegfallen, bedarf es eines neuen Rahmens, der die Menschen einer Organisation zusammenhält und Orientierung über die strategische  Ausrichtung und Entscheidungsparameter beim agilen Arbeiten gibt. Nach dem Golden Circle von Simon Sinek https://www.youtube.com/watch?v=IPYeCltXpxw werden die wesentlichen Eckpunkte eines agilen Unternehmens durch Beantwortung der Fragen Why, How, What definiert. Somit ist die wichtigste Aufgabe der agilen Führungskraft Ziele zu setzen und Visionen zu formulieren. Agile Führung bedeutet also auch die Geschichte Ihres Unternehmens, Ihres Produktes oder auch Ihres Teams zu erzählen, sprich wofür sie als Abteilung oder Bereich bei Kunden und Kollegen stehen.

Gelebte Werte und Kultur

Die Digitalisierung eröffnet technologische und sozioökonomischen Möglichkeiten, die wir bisher nicht kannten. Somit bemisst sich der zukünftige Unternehmenserfolg vor allem an der Innovationskraft. Wir erleben, daß Unternehmensprozesse, die auf Qualität und Effizienz ausgelegt sind diesen Anforderungen nicht gewachsen sind. Denn Strukturelle Innovation und Anpassungsfähigkeit braucht wissenschaftlich belegt, vielfältigste und individuelle Menschen und nicht ausführende Personalressourcen. Mit dieser grundlegenden Veränderung rückt der Mensch in den Mittelpunkt des Unternehmensmehrwertes. Somit bedarf es einer Unternehmenskultur, die Vertrauen fördert, Menschen stärkt und diese, geleitet durch eine gemeinsame Vision, zusammenarbeiten lässt.

Lernkultur und Feedback

Ein zentraler gemeinsamer agiler Wert ist kontinuierliches Lernen, sowohl inhaltlich als auch persönlich. Deswegen ist es wichtig, dass die agile Führungskraft regelmäßige Feedbackschleifen etabliert.Hierbei werden sowohl die  Arbeitsergebnisse als auch der Prozess gemeinsam reflektiert. Die Führungskraft übernimmt auch hier die Verantwortung für einen vertrauensvollen Austausch über die Verbesserung der Zusammenarbeit. Zum Beispiel nach der Methode: 

  • Keep: Was ist gut gelaufen, was behalten wir bei?
  • Drop: Was sollten wir abstellen?
  • Try: Was sollten wir einmal mal ausprobieren?

Retrospektiven sind ein elementarer Bestandteil agiler Führung und wenn es mit der Zeit knapp wird, dann ist die Retrospektive umso wichtiger. Im agilen Kontext ist die Retrospektive auch Bestens geeignet, um positives Verhalten hervorzuheben und zu würdigen, sowohl durch die Führungskraft als auch die Teammitglieder. Eine offene Feedbackkultur und der konstruktive Umgang mit Fehlern sind ein wichtiger Teil agiler Organisationen und zentrale Aufgabe agiler Führung. Agile Führung wird durch das Vorleben der gemeinsamen Werte und des positiven Anwendens im Alltag für einen selbst und das Team als sehr angenehm empfunden – viel wertvoller und Mehrwert stiftend als Micromanagment und Kontrolle. 

Konflikte

Im Alltag der Transformation erlebe ich häufig, daß Konflikte vermehrt an die Oberfläche kommen und zwar methodische und persönliche. Genau jetzt ist es Aufgabe der agilen Führungskraft die gemeinsamen Werte zu leben und einzufordern und den Konflikt konstruktiv anzugehen und einer Lösung zuzuführen. Nur dann werden die bisher unterschwelligen Konflikte und die damit einhergehenden unnötigen Reibungsverluste beseitigt. Dadurch wird ein wichtiger Entwicklungsprozess jedes Einzelnen und des Teams als Gemeinschaft gestartet und bedarf einer kompetenten agilen Führungskraft. 

Kommunikation und Interaktion

Wenn Themen komplexer werden, dann sind Einzellösungen oft nicht mehr möglich und zielführend. Denn es müssen vielfältigste Aspekte berücksichtigt werden, so dass die besten Lösungen erst entstehen, wenn mehrere unterschiedliche Köpfe daran arbeiten. Deswegen geht es in den meisten agilen Methoden um Teamarbeit. Je diverser das Team, desto besser. Damit der positiven Effekt auf die obig beschriebene Entscheidungsqualität jedoch gelingt, bedarf es einer gelungen Kommunikation und Interaktion – innerhalb des Teams aber auch im Zusammenwirken mit anderen Teams, Kunden und weiteren internen und externen Stakeholdern. 

Führung im agilen Kontext setzt genau hier an, denn oft treffen komplett verschiedene Haltungen, Wissensstände und Kommunikationsweisen zusammen. Den konstruktiven Austausch innerhalb des Teams zu stärken ist somit eine der vorrangigen Aufgaben; Spannungen zu lösen und die Arbeit wieder in eine positive Richtung zu lenken eine weitere. Die Führungskraft braucht deswegen ausgeprägte und breite Kommunikationskompetenzen sowie ein Verständnis für deren Bedeutung und Wirkkraft. 

Hierbei ist die Kommunikation und das Vorleben der Werte auf Augenhöhe ausschlaggebend. Denn obwohl  menschlich – die bisher mit Führungsaufgaben verknüpften Privilegien und das einhergehende Ansehen zu genießen – bedeutet agil führen jedoch sich auf Augenhöhe zu begegnen, auszutauschen und Wert zu schätzen. So leicht gesagt, so schwer erreicht! 

Mindset & Persönlichkeit

Agile Führung ist eine Überzeugung und keine Aufgabe, es gibt viele agile Methoden und Werkzeuge die Unterstützung bieten, der richtige Mindset und die eigene Persönlichkeit sind jedoch der eigentliche Erfolgsfaktor für Führung im agilen Kontext.

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